Ein Plädoyer für die Liebe

Ein Plädoyer für die Liebe

Nach einer Erzählung von Otto Pikal aus seinem Taxlerleben.
Mittlerweile sind weitere 10 Jahre vergangen und wir feiern unseren 40. Hochzeitstag.

Es war schon ziemlich spät in der Nacht, als eine junge Frau zu mir in das Taxi stieg. Sie wirkte unglücklich. Ich war mir nicht sicher ob ich sie darauf ansprechen sollte. Ich beobachtete sie im Rückspiegel. Ein hübsches Gesicht aber ihre Augen starrten ins Leere.
Ich habe im Lauf der Jahre die Erfahrung gemacht, dass es befreiend wirkt, einem Fremden seine Sorgen anvertrauen zu können, vielleicht sogar seinen Rat anzunehmen. Mitunter hatte ich helfen können. In den meisten Fällen bekam ich bereitwillig Antworten auf meine Fragen und das ermutigte mich, auch dieses Mal zu fragen.
Meine Frage ob sie unglücklich sei beantwortete sie mit einer Gegenfrage.
„Sind Sie verheiratet?“ fragte sie.
Ich blickte in den Rückspiegel. Nein, sie sah nicht so aus, als ob sie auf ein Abenteuer aus wäre.
„Ja, ich bin verheiratet. Ich habe fünf Kinder und eine ganz liebe Frau. Nächste Woche haben wir unseren dreißigsten Hochzeitstag. Wir lieben uns noch immer so, wie am ersten Tag. Nein, eigentlich lieben wir uns noch mehr als am ersten Tag. Die Liebe ist mit den Jahren größer geworden. Meine Kinder sind nun schon erwachsen und bis auf einen Sohn sind alle verheiratet.“
Ich schwärmte ihr vor, dass ich nach so vielen Jahren immer noch Herzklopfen bekomme, wenn ich meine Frau zu Hause unvermittelt über den Hof unseres Anwesens gehen sehe. Ich beschrieb ihr das Strahlen im Gesicht meiner Frau, wenn sie mich abends auf dem Heimweg im Taxi am Standplatz sitzen sah.
„Meine Frau hat einmal gesagt: Ein Heiratsdokument ist keine Besitzurkunde sondern eine Schenkung. Nicht das Kriegen steht im Vordergrund, sondern das gegenseitige Geben und die Bedürfnisse des anderen. Ob die Liebe bestehen bleibt hängt davon ab, wie fürsorglich wir miteinander umgehen. Etwas zu bekommen ist eine Sache, etwas zu bewahren eine andere.
Ich sprach aber auch zu ihr über meinen Glauben und die Einstellung meiner Kirche zur Ehe.
„Wir heiraten nicht bis dass der Tod uns scheidet. Wir heiraten für Zeit und Ewigkeit. Wir schließen einen Bund, der über das irdische Leben hinausgeht, weil wir nicht glauben, dass das Leben mit dem Tod zu Ende ist!“
Als ich geendet hatte schwieg sie.
Hatte ich das Falsche gesagt? Hatte sie etwas anderes hören wollen?
Es gehört zu unseren Prinzipien, dass Mann und Frau rechtmäßig miteinander verheiratet sein sollen. Dazu gehört auch, dass jedes Kind ein Anrecht auf Vater und Mutter hat und in einem Heim der Geborgenheit aufwachsen kann.

Schweigend fuhren wir weiter. Die junge Frau war sichtlich bewegt und kämpfte mit Tränen.
Als wir am Ziel angekommen waren begann die junge Frau zu sprechen.
„Ich habe vor einiger Zeit einen jungen Mann kennengelernt. Vor ein paar Tagen hat er um meine Hand angehalten. Ich weiß, in einer Zeit, in der sich nur mehr wenige zu so einem Schritt entschließen, ist das etwas Besonderes, aber die Ehe meiner Eltern mitzuerleben war die Hölle für mich. Nun habe ich Angst, dass es mir einmal ebenso ergehen wird. Ich habe Zweifel, ob die Liebe bestehen kann. Ob man auch noch nach vielen Jahren sagen kann, dass man einander lieb hat.“
Sie wischte sich mit der Hand über die Wangen.
„Ich glaube auch an Gott, so wie Sie, und ich habe gebetet. Ich habe nicht gewusst, wie ich mich entscheiden soll und habe ihn um eine Antwort gebeten. Jetzt habe ich sie erhalten.“
Sie lächelte mich unter Tränen an und  stieg aus. Ein junger Mann erwartete sie. Sie rannte auf ihn zu und umarmte ihn. Fast wären sie beide umgefallen.
Ich fuhr mit einem glücklichen Gefühl im Herzen weiter.

Ich glaube an die Liebe und dass sie ewig halten kann.

                                                                    Doris Pikal

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